Was gibt es von mir Neues? Ich habe mir vor drei Wochen einen Muskelfaserriss in meinem rechten Unterschenkel zugezogen, als ich wieder den Beritt meines jungen Lusitano Mix` angefangen habe. Er fing an zu buckeln, ich stürzte auf Asphalt (was an sich noch nicht allzu schlimm war, ich habe gelernt, mich gut abzurollen), und leider bockte er noch etwas weiter rum und sprang mir dabei aufs Bein.
Meine Intuition in dem Moment, als es geschah, sagte mir sofort: „Shit, das war gar nicht gut…“ und zugleich „fühlt sich nicht an, als wäre ein Knochen durch“.
Ich konnte dann richtig erleben, wie sich zwei voneinander getrennte Teile meiner Psyche heraus manifestierten. Ein Teil, den ich schon regelrecht als hypochondrisch bezeichnen muss und der das Schlimmste annimmt. Wobei es da mehr um die Angst vor schädlichen invasiven ärztlichen Eingriffen geht als um die körperliche Versehrtheit, aber mit Sicherheit auch. Aber dann auch ein zweiter Teil, ein recht neuer und erwachsener Teil, der total gelassen ist, das Gute darin sieht und vollstes Vertrauen auf die Heilfähigkeit meines Körpers und meine Fähigkeit, es logistisch zu meistern, besitzt.
Ich bin dann aber dennoch erstmal in ein totales Loch von Panik und Gedankenschleifen gefallen (was ist, wenn ich einen traumatisierenden heftigen Eingriff bekommen muss wie Jan bei seiner schweren Beinverletzung, was, wenn ich ins Krankenhaus auf die Nachbarinsel fliegen muss und abrupt mit dem Stillen von Timmy aufhören muss und ihn traumatisiere,…).
Doch es sollte nicht meine Geschichte sein. Es ging um etwas völlig anderes.
Ok. Zunächst einmal sah ich mich einem alten Arzt gegenüber im Notzentrum, der mein Bein kaum berührte oder ansah, und fast komplett damit beschäftigt war, mir Medikamente aufzuschreiben und den mit meinem Fall zusammenhängenden Papierkram zu machen. Fand ich ziemlich krass. Ich fragte sogar, ob man mir Physiotherapie verschreiben könne, ich kenne da einen super Therapeuten (zu dem ich nun auch wieder auf eigene Kosten gehe), aber „das sind doch hervorragende Tabletten“ (Das Rezept, das er mir schrieb, habe ich gleich im Auto meinem Baby zum Spielen gegeben).
Und dann war mysteriöserweise gerade das Röntgengerät kaputt. Mir wurde noch mit Druck und Angstmache eingebleuelt, unbedingt in den nächsten Tagen nochmal das Röntgen nachzuholen, aber auch bei einem weiteren Besuch war das Gerät noch immer nicht funktionstüchtig.
Ich behandelte dann zuhause selber ganz entspannt und medikamentenfrei mit Eisbädern, Beinwellumschlägen, Supplementen… doch es ging um viel mehr als das.
Es war, als würde ein lebenslanger Traum von mir erfüllt werden, so merkwürdig das jetzt klingen mag. Aber dass ich einfach mal ein „Stinknormales“, „gesellschaftlich Anerkanntes“ Problem habe. Keine Hauterkrankung oder Verdauungsprobleme, die keiner richtig wahrnimmt oder wo einem direkt etwas Katastrophales angedichtet wird, keine mentalen, emotionalen, nervlichen oder kognitiven Probleme, die keiner versteht und ernst nimmt, keine komplexe, systemische entzündliche Erkrankung, die keiner nachvollziehen und glauben kann. Einfach eine Frau auf Krücken mit einem eingewickelten Bein. Nach einem Sportunfall in ihrem aktiven Leben. Yeah! Und tatsächlich, man kriegt sogar viiieel mehr Aufmerksamkeit (wobei die Portugiesen da echt wirklich super sind muss ich sagen!) als Frau mit Baby (sollte viel mehr Hilfe bekommen! Man pflegt da quasi ein für kurze Zeit behindertes (wenn auch Fliegengewicht) Familienmitglied!).
Wirklich romantisches Essen ans Bett gabs jetzt weniger für mich (mir genügte schon, nicht ohne gewisse Genugtuung, zu sehen, wie mein Partner den Kleinen und alles für die KiTa fertig machte (da sind wir noch relativ in den Anfängen) und er von da an mehr würdigte, was ich tatsächlich so alles leiste im Haus), aber dennoch, so viel an herzbasierter Unterstützung, Liebe… Ich sah, wie viel ich mich vorangearbeitet hatte, da gute Freundschaften und Connections aufzubauen hier in meinem sich auch nach 3einhalb Jahren noch recht neu anfühlenden Leben auf den Azoren. Da, woran es mir nach der Geburt von Tim noch gemangelt hatte, weswegen ich lange gebraucht hatte, um aus einem ziemlichen Loch hervorzukriechen.
Vor allen Dingen meine innerliche Arbeit, diese Liebe, dieses einfache Annehmen können, ohne im Gegenzug etwas leisten zu müssen, auszuhalten. Diese Kapazität, dieses Vermögen in meinem Nervensystem aufzubauen, zu vergrößern…
Ich wurde mit einer überraschenden Scham konfrontiert, mich öffentlich schwach und auf Krücken zu zeigen. Im Mittelpunkt zu stehen. Nicht funktional zu sein. Dies zeigt mir auch, dass ich meine Erkrankung damals nicht „manifestiert“ habe, um aufzufallen oder was dafür zu bekommen. Doch glaube ich irgendwie, dass es gerade da drum bei mir geht, es mir zu erlauben, auch ohne Erkrankung, vielleicht einfach als liebenswerter Mensch, im Mittelpunkt zu stehen, mir mehr helfen zu lassen, mich in meiner ganzen Bandbreite des Menschseins zu zeigen, eben auch in schwachen Momenten, anstatt diese heimlich und zurück gezogen in meinen eigenen vier Wänden zu verbringen. Und selbst immer die Große, die Starke, die Helfende zu sein, die, die von allen am wenigsten Umstände bereitet…
Ich übte bewusst, mich mitten auf dem Hauptplatz ins Bio-Café zu setzen und meine kleine Story zu erzählen, und alle ekligen Gefühle dabei, Scham, Frust, mich anderen mal zuzumuten, mich nutzlos, verletzlich und angreifbar zu fühlen… ja, einfach zu fühlen, sie bewusst und liebevoll in mich aufnehmen zu können, so, wie ich es auch mit meinen Klienten übe.
Wie wunderschön uns unsere Krankheiten und Krisen doch „helfen“! Ja wirklich! In mir war in den Monaten zuvor so viel Einsamkeit, Traurigkeit, Wut, Ungeerdetheit… Und jetzt hatte ich eine deutliche Projektionsfläche, über die man richtig reden konnte, wodurch ich mich richtig mitteilen konnte. Oder es einfach nur „zeigen“ konnte, wo direkte Dialogversuche gescheitert waren. Ich wieder so viel tieferen Zugang zu mir selbst fand und auch andere Zugang zu mir finden lassen konnte. Ja, ich glaube wir brauchen so etwas weniger und weniger, je mehr wir einfach nur unsere Bedürfnisse und Gefühle ownen können (in diesem Video sage ich noch, dass ich immer weniger Schüsse vor den Bug brauche *g* Naja, in der Kommunikation mit mir selbst und meinem Körper bin ich schon wirklich gut, aber an der mit z.B. meinem Partner arbeite ich noch. Und immerhin kein langwieriger Beinbruch. Aber auch solche recht harmlos wirkenden Krisen, Krankheiten und Unfälle können für uns Hochsensible ja schon sehr sehr heftig sein).
Ja, und vor allen Dingen helfen einem Krankheit und Krisen, mal aus dem täglichen (oft selbsterschaffenen) Hamsterrad herausgeholt zu werden, zu verlangsamen, inne zu halten, zu rasten, zu ruhen, loszulassen, sich in der Hingabe und Gelassenheit zu üben.
Sie zeigen einem, dass Zufriedenheit, Freude und Glück nicht wirklich aus dem resultieren, was perfekt läuft, wo wir uns etwas erarbeitet haben, sondern einfach eine innere Haltung ist (zusammen mit ganz banal ein physiologischer Nervensystem Zustand, der leider manchmal schwer zu erreichen ist), die aber im Grunde immer möglich ist.
Ich nutzte die Zeit, erstmalig seit Jahren wieder, seit ich richtig losgelegt habe, Auswandern, die Welt sehen, Hauskauf und Renovierung, eine richtig tiefe Partnerschaft aufbauen, mein Online-Business aufbauen, Mama-Werden,… einfach nur aus Spaß an der Freude, statt getrieben aus Notwendigkeit (für mein Gesundwerden oder Klienten und mehr Wissen zu recherchieren), Podcasts anzuhören, zu lesen, aus purem Genuss. Füllte mein eigenes Glas wieder auf. Timmy musste halt dann vier mal in der ersten Woche in die KiTa, statt normal nur zwei bis dreimal, weil ich mich nicht wagte, ihm mehr zuzumuten. Aber es tat gut, ich kann es nicht anders sagen. In Zukunft da auch mehr Freiheiten für mich, auch ohne Unfall.
Und schließlich konnten auch Jan und ich auf ein neues, tieferes, mir immer erträumtes Level an gegenseitigem Verständnis, Offenheit, Geduld und einfach anständiger Kommunikation und Connection durchbrechen.
Es möge mir also niemals mehr jemand sagen, dass man in einer Krankheit wertvolle Lebenszeit verliert! Ich habe das Gefühl, liegend und auf Krücken mehr Boden gemacht zu haben, als im täglichen Wettrennen und Streben! Man muss nur kreativ bleiben, oder gerade wieder werden.
Ich bin besser geworden im Delegieren, habe neue gute Anstöße in meinem Freundeskreis und meiner Community geliefert, habe gute Ideen für besseren Flow und Kooperationen für die Zukunft gewonnen, viele sehen mich mit völlig neuen Augen, wir haben einen tieferen Zugang zueinander bekommen, weil ich viel an Rüstung habe ablegen und andere tiefere habe reinlassen können. Ich glaube, ich kann sogar sagen, dass ich meiner wahren Bestimmung ein gutes Stück näher gekommen bin.
Ja, dies ist immer mal eine gute Schreibübung, meine ganz herzliche Anregung, es wirklich mit Papier und Stift zu tun: Schreibe dir auf: Inwiefern bin ich an meiner Krankheit gewachsen? Was sind die Blessings aus dieser Zeit? Wofür kann ich einfach dankbar sein?
Teile gerne mit uns in den Kommentaren!
Natürlich geht das Leben nun weiter, ich sehe auch, woran ich noch zu Arbeiten habe, wo ich in Zukunft mehr Grenzen setzen und mein eigenes Glas noch weiter füllen kann. Z.B. mir noch mehr Zeit und Unterstützung für und mit meinem jungen Pferd zu nehmen. Einfach ein Mahnmal aus meinem ersten Babyjahr. The Healing never ends… Let´s keep beautifying our lifes…