Der biologische Sinn von Trauma

Man kennt den Spruch: Hinterher sieht man, wofür es gut war. Auf der Storyebene, autobiografisch, kann man, wenn man ein positives Mindset hat, irgendwann zurückblicken und sehen, dass all die Stürme und das Leiden, durch das man gegangen ist, auch seine Schätze mitgebracht haben, einen z.B stärker, weiser und mitfühlender gemacht haben.

Doch ich möchte dir heute auch ganz konkret, ganz bodenständig erklären, warum ich den Effekt des „Traumas“ als wichtigen biologischen Mechanismus erachte.

Erst einmal ist der Zustand des Schocks, der Dissoziation, der Depression, des Autismus, der schweren Erschöpfung, der starken Schmerzen,… ein ganz natürlicher Schutzmechanismus.

Es ist ursprünglich von unserer Biologie her als vorübergehender Zustand gedacht.

Kannst du dir denken, was der Sinn dieser Zustände sein könnte? Warum werden wir in einen Zustand getrieben, der uns runterfährt, wo wir vielleicht starke Emotionen erleben, Hautreaktionen, Durchfall, starkes Schlafbedürfnis, was ist der Sinn von Schmerzen? Wie gesagt, vorübergehend?

Es sind Schutzmechanismen nach einem starken Stressereignis. Dass wir uns in unsere Höhle zurückziehen, schonen, es kommt vielleicht zu Entgiftungsreaktionen, über die Haut, den Darm, über Emotionen oder Erinnerungen, Träume, in unseren Worten… Wie bei einem Unfall. Das System des Opfers fährt runter, um Energie zu sparen, damit die Person sich nicht bewegt bei etwaigen starken Verletzungen, der Kreislauf fährt runter, um etwaigen Blutverlust zu verhindern, die Wahrnehmung fährt erstmal runter, damit man es nicht zu krass erlebt. Schmerzen dagegen sind Feedback, dass wir z.B. das Bein erstmal nicht benutzen. Oder nach einem Schädel Hirn Trauma oder auch psychischer Überlastung, dass wir zB zu viel Licht oder Chemikalien meiden oder bestimmte Menschen oder Situationen.

Auch Kampf und Flucht verhalten, uns oder unsere Lieben verteidigen, mal die Meinung sagen, mal Dampf ablassen oder uns aus unmenschlichen Situationen zu verabschieden kann so gesund und gesundheitsrettend sein. Wie gesagt, damit meine ich für Ausnahmesituationen.

Ich selbst hatte leider zu viel mit unregulierten Dauer-Cholerikern zu tun in meinem nahen Umfeld vor meinem wirklichen psychischen und spirituellen Gesundwerden und all dem den Rücken zukehren, weswegen ich selber Trauma durch psychische und physische Gewalt über Jahrzehnte erlebt habe, und bin selber jemand, der viel zu viel in sich reinfrisst. So dass meine Mastzellen dann an meiner statt die Gefahr ernst nehmen und mich verteidigen wollen.

Trauer ist ein immens wichtiger Prozess um eine neue neuronale Ordnung zu etablieren. Tränenflüssigkeit enthält nachweislich Histamin und Immunglobuline, also auch Entgiftung.

Entzündungen, Histamin: Verbrennen alter, schwächerer unzureichend ausgebildeter synaptischer Verbindungen.

Wie ein Muskel nach dem Training, der stärker zusammengesetzt wird.

Zerstörung des/Chaos in die alten neuronalen Networks: Zunächst mal kräftig durchschütteln, Neuordnung.

Menschen mit traumatischen Erfahrungen und die Überlastungszeiten und Krisen erlebt haben und es auf die andere Seite geschafft haben, sind in der Regel aufmerksamer, wachsamer, sorgfältiger, vorsichtiger, überaus empathisch, denken komplex und innovativ, durchschauen schnell Illusionen, Lügen und Bullshit.

Wenn man sich noch im ungeheilten, angstaktivierten und dominierten Zustand  befindet, ist es belastend, kostet Zusatzenergie, bis hin zu schweren Erkrankungen und Unfähigkeit, sich ein gutes und stabiles Leben aufzubauen und die Dinge wirklich zu sehen wie sie sind. Man lebt mehr in der Vergangenheit und in seinen Projektionen und Übersensitivitäten, statt im Hier und Jetzt im Klaren zu sein. Je mehr Heilung man aber erfährt, und dies muss eine aktive Entscheidung sein mit aktiven Schritten hin, passende sehr zielgerichtete Therapieformen und Selbsthilfebücher und Programme gibt es ja heutzutage aus gutem Grund wie Sand am Meer, je mehr Heilung man erfährt, desto mehr kann man am Ende wirklich von immensen Stärken, Resilienz und wertvollen Softskills profitieren, nachdem man im Feuer geschmiedet wurde.

Mastzellen und Histamin sind an Lernprozessen beteiligt, wie Studien zeigen. Synapsen werden regelrecht durch die Entzündungsstoffe umgeschweißt. Trauma kann man als extrem drastischen Lernprozess bezeichnen. Mit großer Entwicklung und Evolution als Folge, sodass man in Zukunft stabiler durchs Leben geht und bessere Entscheidungen trifft. Man sich viel mehr für das Glück öffnen kann, ohne es sich selbst gleich wieder zu sabotieren.

Bis hin zu einem wahren Erwachen. Trauma ist Lebens-Energie, die bislang noch keine Chance hatte, in einem sicheren Rahmen zum Ausdruck und zur neuen Entfaltung gebracht zu werden.

Dissoziation, Freezeresponse, Schockstarre, Disembodiment, Entkörperung: Früher Folge eines schlimmen Traumas, kann sich auch latent entwickeln durch chronisch belastende Lebensumstände, chronische Erkrankung, doch meist folgt die Erkrankung den belastenden Lebensumständen. Es ist da manchmal schwierig, zu sagen, was Henne und was Ei war, meist ist man in einem Wechselspiel aus auf allen Ebenen miesen Lebensumständen drin.

Jetzt im Hier und Heute sorgt es dafür, dass das Gehirn so geeicht ist, sich aus der Situation rauszuziehen und sich zu disidentifizieren, gute Fähigkeit, von außen auf Dinge blicken zu können, neue Lösungen zu finden beim Feststecken. Das große Gesamtbild zu sehen. Was sehr viel Hoffnung macht und Frieden gibt. Innovative Ideen enstehen daraus. Oft entstehen dadurch sogar ganz konkrete mächtige spirituelle Gaben wie Visionen, Hellsichtigkeit,  Heilungsgaben, Channelling.

Ich las einmal darüber, wie in Urvölkern Schamanen „aktiviert“ wurden: Man versenkte die ausgewählten jungen Männer in einem kalten Fluss, mit Steinen beschwert, nur mit einem Schilfrohr zum atmen, für mehrere Tage unter Wasser. Völlig gesunde Menschen brachte man in eine Nahtodsituation, Trauma und Schocks wurden bewusst provoziert. Dies aktivierte die versteckten Kräfte in diesen Menschen und weitete deren Nervensystem erheblich, brachte das Gehirn über den Rand dessen, was man als Alltäglich bezeichnen könnte, und dadurch später auch die Fähigkeiten dieser Gehirne.

Problem heutzutage: Kein guter Umgang damit vom medizinischen System, gesellschaftlich, spirituell, deswegen oft jahrelanges Feststecken. Unser Lebensstil erlaubt die nötige radikale Neuordnung nicht. Unzählige Kranke, „halb-Aktivierte“ fristen feststeckend ihr Dasein, oder es kam mal das Trauma hoch, wollte sich transformieren, aber dies sorgte für neue Probleme, für Angst, Retraumatisierung, Scham oder Skandale, es war in diesem Moment niemand da, der das Verständnis, die Ruhe, Zeit und Kraft und eigenes mentales Fassungsvermögen besaß um zu begleiten.

Statt dass man in einen größeren Ring der Existenz tritt, kommt es zu einem noch stärkeren Zusammenziehen. Das darf nicht mehr so weitergehen, so viel verlorenes Potential, so viele unvollendete, eigentlich große  Lebensgeschichten mit enormen Potential! Deswegen gerade ist es so wertvoll, auf Retreats, Seminare oder in Coachings oder Gruppen zu gehen, wo Trigger vorsichtig und sicher gehalten hervorgekitzelt und dann gezielt transformiert werden.

Letztendlich sehe ich es so: Jede Generation wird sensibler, da wir uns ändern MÜSSEN! Was hilft es, wenn jede nächste Generation genauso stumpf ist. Nein: Empfangsbereitschaft für Warnsignale muss stärker werden, sonst sterben wir aus! Und es komm zu einem Erwachen neuer Gaben für neue Lösungen, komplexere Gehirne.

Wenn ein junger Baum verletzt wird, wächst er um die Verletzung herum weiter. Im weiteren Verlauf seiner Entwicklung wird die Wunde im Verhältnis zu seiner Größe immer kleiner. Knorrige Auswüchse und unförmige Äste deuten auf Verletzungen und Hindernisse hin, denen ein Baum im Laufe der Zeit ausgesetzt war und die er überwunden hat. Die Art, wie ein Baum um seine Vergangenheit herum wächst, trägt zu seinem Charakter und zu seiner Schönheit bei.

~Peter Levine
Arbeite persönlich mit mir und anderen, die ebenfalls auf dem Weg sind:

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