Dies sollte ein offener Brief an die Ärzte werden…

Dieser Artikel schwebt mir schon seit Jahren vor. Immer wieder wollte ich ihn umsetzen, doch dann kam da irgendwie dieses Gefühl, als ob noch etwas fehlen würde in meinem Gesamtbild.

Ich habe meine ganz eigene Odyssee und Geschichte mit den Ärzten hinter mir seit frühester Kindheit. Ich möchte das an dieser Stelle auch gar nicht mehr im Detail aufdröseln, doch kann ich sagen, dass ich mindestens ein Dutzend Praxen verschiedener Allergologen, Dermatologen, HNO-Ärzte, Kinderärzte und Krankenhäuser von innen detailliert kennen gelernt habe. Später kamen noch Neurologen hinzu, und auch bei der Gynäkologin war ich schließlich öfters als nur zum Routinecheck. An mir wurden zahllose Cremes (mit immer höherem Kortisongehalt und Wirkstoffen, die „viieel besser und schonender als Kortison“ sind und am Ende doch nur eine Form von Kortison waren), „Jucksäfte“, Gels, Bade- und Duschzusätze und antifungale Mittel ausprobiert und meinen Eltern verkauft und ich musste immer wieder unangenehme Tests wie Pricktests mit noch unangenehmeren Ergebnissen (z.B. gegen meine Lieblingstiere allergisch zu sein) und verschiedene unangenehme Behandlungen beim HNO-Arzt über mich ergehen lassen.

Ich kann mich noch glücklich schätzen, wenn ich mir so die Ausführungen mancher Leser und Klienten anhöre, und doch kann ich sagen, dass ich ab einem gewissen Punkt sehr frustriert wurde. Auch, da gewisse andere Dinge an mir komischerweise nie ausprobiert wurden (wie Lichttherapie – erst Jahre später, nachdem sie sie schon abgeschafft hatten, erfuhr ich, dass „meine“ Dermatologenpraxis mal über eine Lichtkammer verfügt hatte, und auch erst als junge Erwachsene erfuhr ich, dass mir eine Kur am Toten Meer zugestanden hätte als Kind, und in Bezug auf Desensibilisierung wurde ich mit den Worten abgewiesen, dass ich zu viele Allergien habe, dass es sich von daher nicht lohnen würde). Vor allem, wenn man nach einer 6 jährigen Ärztepause als junge Erwachsene mal wieder zum Dermatologen geht in der Hoffnung, dass die Forschung seit meiner Kindheit doch wenigstens ETWAS weitergekommen ist und man schon wie ein Störenfried angesehen wird und nur gesagt bekommt, dass man seine Haut besser pflegen müsse.

Eine hoffnungsvolle Internetrecherche nach einer besseren Dermatologenpraxis ergab das niederschmetternde Ergebnis, dass „meine Praxis“, mit der ich eindeutig an sämtliche Grenzen gestoßen war, in Internetportalen mit der Note „2“ bewertet wurde, während alle übrigen Praxen in meinem Umkreis bei der Note „3“ anfingen…

Als ich schließlich (damals über die vegane Szene) begriff, dass man über Ernährung und Lebensstil so viel für seine Gesundheit tun und in die eigene Hand nehmen kann, welch wichtige Rolle der Darm und andere Organe in dem ganzen Geschehen spielen, der bei mir tatsächlich arg aus dem Gleichgewicht war und schließlich durch mein Biologiestudium und meine Gesundheitscoachingausbildung lernte, dass man einzelne Symptome, Erkrankungen und Körperteile nicht isoliert betrachten kann, sondern dass sich alles gegenseitig beeinflusst und das große Ganze (Umwelt, alle körperlichen Vorgänge, aber auch Geist und Seele) gesehen und angegangen werden muss, da kam schließlich eine regelrechte Wut und Bitterkeit über mich.

Wäre es denn so schwer gewesen, mal ein paar mehr Fragen zu stellen, und sei es nur zu meiner Ernährung gewesen? Wie kann es sein, dass die Ärzte nichts über den Zusammenhang mit dem Darm wussten?

All die Jahre der verschwendeten Zeit und des immer schlimmer werdenden Leides, der immer schlechter werdenden Lebensqualität… es fühlte sich an, als hätte man mich wissentlich hingehalten und mir das Wichtigste vorenthalten. Mir und meinen Eltern immer nur teure Produkte verkauft, die bestenfalls nicht halfen, in der Regel leider aber sogar meine Gesundheit schädigten (der Kortisonentzug nach über 20 Jahren Nutzung war machbar, aber nicht schön und nicht einfach). Oder dass diese Ärzte schlichtweg zu faul gewesen sind, auf Fortbildungen zu gehen, denn das Wissen und auch die wissenschaftlichen Studien dazu sind, zumindest was die Grundlagen anbelangt, nicht brandneu! Schon in der Antike und im alten China wusste man den Menschen und seinen Lebensstil ganzheitlich zu betrachten und dadurch wirklich zu helfen (auch wenn es damals schon gewiefte Geschäftsmänner gab, die mit dem Verkauf wertloser Tinkturen unhaltbare Heilsversprechen auf die einfache Tour machten), nur damals hat es eben noch niemand in irgendwelchen Journals publiziert. Wie wütend war ich auf unser marodes System, das immer mehr Heilmittelchen, aber gleichsam immer mehr Kranke hervorbringt.

Wie, wenn man einem Menschen nicht vergeben kann, wollte ich mich in meiner Wut baden, mich mit anderen Betroffenen in Foren über die Ärzteschaft auslassen, hatte das Gefühl, dass mir mein Zorn und meine Bitterkeit zustanden, man mir noch etwas schuldig war, da man mich betrogen hatte. Ich trauerte all den scheinbar verlorenen und verschwendeten Jahren hinterher, in denen es mir so schlecht gegangen war. Je mehr ich selbst lernte über Gesundheit, desto mehr kam eine gewisse Überheblichkeit hinzu, immer lächerlicher wirkte doch unser medizinisches System, wenn man gewisse Zusammenhänge erstmal begriffen, und so viele Möglichkeiten seinem Körper auf natürliche Weise zu helfen kennen gelernt hatte.

Doch wie wenn man durch den Prozess geht, einem Menschen zu vergeben, was meines Erachtens am besten mit einem gewissen Abstand funktioniert, der einen von außen und mit sich nach und nach wandelnden Blickwinkeln auf die Sache blicken lässt, tat sich auch hier bei mir etwas.

Ich denke aus heutiger Sicht, dass es mit zu meinem großen Frust beigetragen hat, dass es zwar möglich war, auf eigene Faust so viel zu erreichen, dass es aber mit einem unfassbaren Aufwand verbunden war. Wäre man gewisse Problemstellen schon als Kind angegangen, hätte es die Sache um Welten einfacher für mich gemacht. Dann musste ich vieles völlig alleine schaffen und hätte mir einfach nur jemanden gewünscht, der mich durch den Prozess kompetent begleitet, versteht und über den man nicht im Handumdrehen wieder hinauswächst mit seinem Wissen, oder der einen auch vor gewissen sehr frustrierenden Fehlschlägen bewahrt hätte.

Zu guter Letzt ist es einfach nicht fair, dass dieses stecken gebliebene System das ist, was für alle gleichermaßen gilt und wofür wir mit unseren Gehältern bezahlen müssen, auch die, die es schon lange nicht mehr nutzen (abgesehen von der wirklich hervorragenden Notfallmedizin), sondern sich ihre Therapeuten und Leistungen selbst bezahlen.

Das ist es, was es denke ich so schwer macht, jemandem oder einem Teil seiner Vergangenheit zu vergeben. Dieses Gefühl, sich noch in der Opferrolle zu befinden. Und irgendwann merkte auch ich, wie sehr es mich belastete, wie ich damit einen Teil meiner eigenen Macht weggab und mich kleinhielt, wenn ich mich als Opfer des medizinischen Sytems darstellte. Mittlerweile bin ich an einem Punkt, an dem ich einfach dieses Kapitel meines Lebens als abgeschlossen ansehen (und das ich um keinen Preis jemals wieder öffnen möchte, so wahr ich es verhindern kann!) und nach vorne blicken möchte, in eine selbstbestimmte Zukunft, voller Möglichkeiten statt Angst. Ja, ein angstbestimmtes System ist es, das uns klein und unmündig hält, wie Kinder.

Doch genau hier möchte ich auch die andere Seite beleuchten! Ein System kann nur so lange bestehen, wie es Anhänger hat. Ist es denn nicht so, dass ein Großteil der Menschen es gar nicht anders WOLLEN, dass sie die Verantwortung und die Arbeit anderen in die Hand zu geben und gar nicht selbst nachdenken möchten? Sich nicht mit sich selbst und ihrem Leben auseinandersetzen wollen? Es tut mir nicht Leid, hier so direkt werden zu müssen. Denn wie gesagt sehe ich inzwischen auch die andere Seite der Medaille. Wenn Menschen in diesem System bleiben, weil sie es nicht besser wissen, dann tut mir das im Herzen weh. Aber in vielen Gesprächen habe ich mittlerweile erlebt, dass Menschen mir im vollsten Bewusstsein ins Gesicht sagen, dass sie wissen, dass gewisse Gewohnheiten nicht gut für sie sind und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse durchaus überzeugend sind, sie aber sich nicht die Arbeit machen wollen, etwas zu ändern. Selbst hierfür habe ich Verständnis und sehe noch nicht das Ende der Fahnenstange, habe ich mich doch in den letzten Jahren intensiv mit der Psychologie von Gewohnheiten und speziell der Ernährungspsychologie auseinandergesetzt.

Aber um es nochmal auf das Thema Ärzte zurückzuführen: Ich sehe dann eine junge Medizinstudentin, wie z.B. das Töchterchen meiner Nachbarn, sehr fleißig, engagiert, intelligent, hochmotiviert und einfach mit dem Herzen dabei und dem tiefen Wunsch, Menschen zu helfen, die unfassbar viel Zeit und Mühen in ihr Studium und Praktika steckt, dabei leider noch einiges an veraltetem und sehr einseitigem Wissen büffeln muss und die sich wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens mit alten Säcken in vielen Überstunden wird herumschlagen dürfen, die nie auf sich geachtet haben, kein Maß kannten, sich durch ihren Job haben peitschen und von modernen Produkten haben schleichend vergiften lassen, bei denen sich dann nach Jahrzehnten Übergewicht, Bluthochdruck, Insulinresistenz, Herz-Kreislauf-Probleme, Tumore und weiteres, was mit dem metabolischen Syndrom zusammenhängt, manifestiert haben, sich dann „aus heiterem Himmel“ von den Gesundheitsproblemen überkommen sehen und mit der Einstellung vor ihren Arzt treten, er solle da doch jetzt ganz schnell was machen und es wieder in Ordnung bringen.

Auch in der „Allergikerszene“ ist es leider noch vollkommen verbreitet, dass der Betroffene einfach eine Wunderpille ausgehändigt bekommen oder den perfekten Ernährungsplan in die Hand gedrückt haben will. Und nur zu gerne steht dann unser pharmazeutisches Dienstleistungssystem System (auch nur ein Wirtschaftszweig von vielen) bereit, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, und die Ärzte müssen zudem befürchten, wenn sie keine Produkte verschreiben, wegen unterlassener Hilfeleistung belangt zu werden.

So gesehen sind wir ALLE Opfer eines Systems, das sich zu einseitig entwickelt und massiv an seine Grenzen gestoßen ist. Wir müssen begreifen, dass es hier um etwas viel Größeres geht, als wir vielleicht all die Jahre angenommen haben. Wir als gesamte Menschheit sind gefragt, uns weiterzuentwickeln. So ist es einfach. Evolvieren oder aussterben.

Oder anders ausgedrückt: Eine wundervolle Chance wahrnehmen, zu wachsen und auf eine völlig neue Stufe zu gelangen. Einen großen Schritt zurücktreten, den größeren Kontext verstehen lernen, neue Fragen stellen, neue Ansprüche entwickeln. Wenn wir mehr wollen, als nur schnell und notdürftig versorgt und lebensfähig erhalten zu werden von jemandem, der uns kaum kennt und sich kaum Zeit für uns nehmen kann, müssen wir bereit sein, mehr zu investieren und selbst in die Verantwortung zu treten.

Ich kann für mich persönlich sprechen, dass ich stark gewachsen bin an diesem Weg und meine Vergangenheit trotz all der gesundheitlichen Schwierigkeiten um keinen Preis eintauschen würde. Mittlerweile bin ich DANKBAR, dass ich diese Bürde nicht abgenommen bekommen habe, sondern durch sie transformiert werden durfte! Ich bin meinen Heldenweg gegangen und mit dem größten Schatz zurückgekehrt. Dieses Wissen und Wachstum, das ich dadurch erlangt habe, kann ich auf mein gesamtes übriges Leben anwenden, sorgt von nun an in allen Bereichen für mehr Bewusstsein und Achtsamkeit.

Ich möchte Dich einfach nur ermutigen nicht aufzugeben, die Opferrolle abzulegen, auf deinen Weg zu vertrauen und den Blick nach Innen und auf dich selbst zu wenden und zu tun, was du selbst in diesem Augenblick tun kannst, um die Balance wieder in dein Leben zu bringen, und dir bei Bedarf gezielt und eigenständig die Therapeuten und Wegbegleiter herauszusuchen, die zu dir und dieser Etappe deines Heilungswegs passen. Es gibt immer mehr als Schwarz und Weiß, mehr als nur zwei Wahlmöglichkeiten.

Was bedeutet unheilbar?

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