Heute habe ich mir mal etwas gegönnt. Drei Jahre ist es her, dass ich zuletzt bei der medizinischen Fußpflege war, dabei liebe ich das Gefühl, wenn die Füßchen mal so richtig „aufgeräumt“ worden sind und es ist einfach ein toller Anblick. Das letzte Mal ist nun ziemlich genau drei Jahre her, Anlass war damals Patricks und meine Hochzeit. Ich erinnere mich gut an damals. Einen Tag vorher ließ ich bei der netten Dame in unserem Nachbarort Hände und Füße schön machen, zum ersten Mal wollte ich mir das komplette Paket gönnen, inklusive Lack, aber… Damals ging es mir sehr schlecht mit meiner Haut. Ich war mitten in meinen Ernährungsexperimenten drin (zu der Zeit fast rohvegan) und erzielte zum Teil schon Erfolge bezüglich meiner Hautgesundheit und dem allgemeinen Wohlbefinden, doch ich stocherte im Dunkeln herum und lebte in ständiger, tiefer Angst vor einem erneuten Schub.
Ich hatte mich wie gesagt nun sehr auf meinen Maniküre- und Pediküretermin gefreut und natürlich überhaupt auf die Hochzeit, doch wie so oft ließ mich meine Haut kurz vorher im Stich. Aus heutiger Sicht ist es für mich natürlich nicht mehr verwunderlich, in Anbetracht dessen, was ich inzwischen über Histaminintoleranz und die Auswirkungen von Hitze, diversen Lebensmitteln, einem ungesunden Darm und Stress (nicht nur die bevorstehende Hochzeit, ich steckte auch mitten in meiner Bachelorthesis) auf unsere Mastzellen und das übrige Immunsystem weiß. Als wären die Schmerzen nicht schon genug, sieht so ein Hautausschlag natürlich nicht nur unschön aus (und für einen selbst wirkt es ja in der Regel noch viel schlimmer, während Außenstehende es in der Regel weniger bemerken, als man sich einredet), mein Selbstbewusstsein war komplett am Boden, da ich das Gefühl hatte, bei all meinen Versuchen, meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, wieder versagt zu haben. Kleinlaut musste ich damals die sehr sehr liebe und einfühlsame Fußpflegerin um ein eingeschränkteres Programm und Rücksichtnahme auf meine geschundene Haut bitten. Ich weiß noch, wie ich anschließend auf dem Parkplatz bei der alten Burgruine angehalten und mir die Augen ausgeweint habe und dann vor Erschöpfung einfach auf meinem Fahrersitz eingeschlafen bin. Zuhause schnauzte ich dann noch einen guten Freund für eine Kleinigkeit zusammen.
Und heute stand dann ein erneuter Termin bevor. Ich hatte schon immer zu dünnerer und entzündlicher Haut an meinem linken Fuß geneigt, seit ich dort einmal eine heftige Knochenhautentzündung gehabt hatte, und die Entzündungen suchen sich (was von unserem Körper durchaus sinnvoll eingerichtet ist!) in aller Regel bereits geschwächtes, vorgeschädigtes Gewebe aus, da sie sich irgendwo austoben müssen bei ungesundem Lebensstil (stell es dir wie angestaute Energie vor, die raus muss, um unser Überleben zu sichern und die Homöostase aufrechtzuerhalten). Seit ich aus den USA im Juni zurück bin, ist mir hier wieder ein Ausschlag ausgebrochen und ich musste größte Mühen unternehmen, um ihn wieder einzudämmen. Mit ein Grund, warum ich mir den Fußpflegetermin machte, war, dass ich dachte, es würde mir helfen, hier besser die Disziplin wahren zu können, wenn ich auf ein festes Ziel hinarbeite. Es wäre total gegen meinen Stolz gegangen, als Ernährungsberaterin dort mit einem Ausschlag am Fuß aufzuwarten! Doch irgendwie ging die Rechnung nicht auf. Ich sah den Termin nahen und unternahm immer wieder strenge Eliminationsdiätstage, bei denen ich nur meine absoluten Safe-Foods aß. Doch dann kam es immer wieder zwischendrin vor, dass ich trotz aller guter Vorsätze mich zu weit aus dem Fenster lehnte. Es war, als würde ich mich selbst sabotieren
Klar kann man sagen, es lag an dem vielen Stress, ich war viel unterwegs und musste auswärts essen, wurde zu Feiern eingeladen und durch den regenreichen Sommer ist die Pollen- und Pilzbelastung extrem hoch, dazu die Hitze, meine Periode, die strenge ALCAT-Ernährung, bei der ich kaum anders kann, als auch mal zu histaminreichen Dingen zu greifen, da ich den sehr eingeschränkten Speiseplan ansonsten nicht umsetzen und durchalten könnte, blablubb. Aber ich bekam darüber hinaus tatsächlich wieder eine leichte Episode an Fressattacken, Überessen und einfach nachlässiger Entscheidungen, was ein Ventil sein kann, wenn seelisch irgendetwas aus dem Gleichgewicht ist.
Und dann war da noch diese leise Stimme in mir, die ich sehr spät wahrnahm, die mich dann aber innehalten ließ. Worum ging es hier überhaupt? Ging es denn nur darum, mir selbst oder dieser Dame irgendetwas zu beweisen? Ihr stolz zu erzählen, dass ich es in den Griff bekommen habe und nun seit drei Jahren keine Medikamente, Cremes und Kortison mehr benötige, ein Experte in Sachen Lebensstil und Ernährung geworden bin und makellos aussehe? Ist es denn wirklich vonnöten, dass ich irgendetwas darstelle?
Und dann begriff ich es. Manchmal ist Perfektion das letzte, was wir benötigen. Manchmal werden wir unbewusst genau in die andere Richtung geleitet, provozieren den Schmerz und das Chaos, um eine alte Wunde ans Tageslicht zu bringen, damit ihre Heilung ermöglicht wird. Doch erst, wenn wir dies begreifen und uns ihr zuwenden, kann die Heilung eingeleitet werden. Warum war es mir jetzt schlicht und ergreifend nicht möglich, heil zu sein? Warum durfte ich jetzt die Kontrolle nicht erlangen?
Ich denke, genau das war in diesem Moment meine Lektion. Wie damals vor drei Jahren zu dieser Dame hinzugehen, mit einem Makel, einer Verletzung und um Rücksichtnahme zu bitten und mich ihr zu zeigen, wie ich wirklich bin, mit allen meinen Schwächen, und ihr zu ermöglichen, mich einfach anzunehmen, zu versorgen und im Endeffekt zu lieben. Liebe kann man sich nicht verdienen. Gerade in unserem schwächsten Moment kann sie sich aber in ihrer Wahrheit und Reinheit offenbaren. Ich würde demütig das alles nochmals durchleben mit dem Wissen, dass ich nichts desto trotz mehr bin als das, dass ich trotzdem noch die Expertin bin, einfach die Expertin mit einem schlechten Tag oder einer schlechten Phase, aber heute inzwischen ohne Angst, sondern im Vertrauen darauf, mittlerweile die Bedürfnisse und die Sprache meines Körpers zu kennen, im Dialog mit meinen Mastzellen und meiner Neurodermitis zu sein und meinem Körper somit zu zeigen: Ja, ich sehe dich, ich sehe, dass ich dir in der letzten Zeit zuviel zugemutet habe, und ich bringe das wieder in Ordnung, und ja, das war schlimm damals, sehr sehr schlimm, es hat wehgetan und ich war damals okay, wie ich war, so wie ich heute okay und genug bin, wie ich bin.
Es ist, als ob die erwachsen gewordene Doro in die Vergangenheit reisen und der damals vollkommen hilflosen und verzweifelten Doro nun tröstend die Hand auflegen und ihr sagen kann: Ich verstehe. Ich werde dich immer verstehen. Aber alles wird gut werden. Es wird leichter werden. Und ich liebe auch das und stehe zu dem, was ich damals war. Es gibt nichts, für das man sich zu schämen bräuchte. Es ist Teil meines Weges, meiner Lebensgeschichte. Und es nimmt mir die Angst vor zukünftigen Momenten des Versagens und der Schwäche, weil ich immer okay sein werde, komme was wolle.
Es war ein sehr angenehmes Erlebnis, die Fußpflege. Ja, ich war etwas unsicher und es ist immer noch nicht leicht für mich, andere um Rücksicht auf mich zu bitten, aber ich brachte es schon sehr natürlich rüber und so war es auch alles lässig für mein Gegenüber. Und dieses Mal war ich in der Lage, den Moment und mich selbst in diesem Augenblick zu genießen, tief und ruhig zu atmen und einfach anwesend zu sein, während ich mich beim letzten Mal am liebsten woanders hingewünscht hätte.
Ich fuhr weg von der Praxis, und es war alles genau wie damals, im Grunde die selbe Situation, und doch kompett anders, einfach, weil sich in meinem Kopf, in meiner Seele, meine eigene innere Einstellung zu den Dingen verändert hatte. Wie viel das doch ausmachen kann! Und was für ein Druck mit einem Schlag weg ist! Und wie unsere Mastzellen nun endlich von uns ablassen und darauf vertrauen, dass es sicher geworden ist und wir die Sache im Griff haben! Dass wir hingeschaut und verstanden, wirklich verstanden haben. Und erst aus der Ruhe und der Entspannung kann wahre Heilung und Veränderung erfolgen.
Ich wünsche auch dir, statt ein hartnäckiges Problem (sei es etwas mit deinem Körper oder in einer Beziehung, etc… diese kleine Geschichte ist im Grunde nur ein Platzhalter, auch ich habe meine Erfahrungen mit sehr dunklen Tälern gemacht, auch im Zwischenmenschlichen, wogegen das hier nur eine nette Anekdote ist, aber alle unsere Verhaltensweisen haben ja irgendwo ihren Ursprung…) einfach immer nur zu bekämpfen und schnell wegbekommen zu wollen, es stattdessen als Chance zu sehen, einmal genauer hinzuschauen und zu hören. Vielleicht schlummern da alte verletzte Teile deiner Seele, die endlich endlich angehört werden wollen. Manchmal ist eine Abkürzung einfach nicht das, was dran ist. Womit hast du zu kämpfen, welches Problem zieht sich wiederholt durch dein Leben? An dieser Stelle möchte ich dir das wunderbare Buch von Mary O’Malley ans Herz legen: The Gift of our Compulsions
For where there is awareness there is choice, and where there is choice there is freedom.
Do you want to heal yourself? For just this moment accept yourself as you are. Do you want to heal your family? For just this moment accept yourself as you are. Do you want to help heal the word? For just this moment accept yourself as you are.
With all of the mistakes I have made, I never really made a mistake. Each one was a necessary part of the unfolding of my journey.
For the first time in my life, someone was there meeting me in this indescribably painful place. And that someone was me.
Know that each moment that you turn toward yourself with curiosity and understanding is another step on the path to freedom.
It is possible to be this connected, to be this comfortable in your own skin. It is possible to trust yourself and our life so much that you are healed to your core. It is not only possible, it is your birthright. ~Mary O’Malley
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