30.5. – 14.6.17
USA ich komme, mal wieder. Es ist eigentlich der letzte Ort auf dieser Welt, der mich interessiert und wo es mich hinzieht (ans Meer!), aber ich wollte um nichts in der Welt den Abschlussworkshop meiner Ausbildung am Institute for the Psychology of Eating verpassen! Ich freute mich darauf, die Gelernte zu vertiefen und die Leute endlich „live“ kennen zu lernen und in die Arme schließen zu können. Außerdem soll die Gegend extrem gesund sein vom Klima, den Ernährungsgewohnheiten und -angeboten und der Lebenseinstellung der Leute, worüber ich hier berichten möchte.
Es würde meine bisher weiteste Reise werden und ich war sehr nervös, da ich quasi allein reiste. Bisher war ich immer mit einer Gruppe (z.B. mit der Uni), Freunden oder Familienmitgliedern gereist (selbst innerhalb Deutschlands ist es noch herausfordernd für mich) doch dies hier sollte ein nächster wichtiger Schritt werden, um meine Autonomie zu gewinnen und geistige Grenzen zu überwinden. Eine wichtige Übung, denn wir können nicht wirklich gesund werden, wenn wir uns durch unsere Ängste und Vorbehalte davon abhalten lassen, unsere wahren Bedürfnisse auszuleben und in einem unzufriedenen Kompromiss verbleiben. Ich spürte den inneren Widerstand, nach Sean Croxton die „Terrorbarriere“, und wie mein Geist versuchte, mich mit allen möglichen scheinbar vernünftigen Gründen dazu zu überreden, im sicheren Vertrauten zu bleiben und nicht ins Unbekannte vorzustoßen und diese neue Grenze zu überwinden. Doch da ich mir der Existenz dieser geistigen Terrorbarriere inzwischen bewusst bin und schon allzu oft erlebt hatte, wie das Leben weitergeht (und was sich einem für Wunder offenbaren können!) wenn man sie überwunden hat, den Zweiflern zum Trotz, zog ich es auch diesmal durch.
Ich würde mir ein Zimmer von Airbnb-Gastgebern mit einer Frau aus Slovenien teilen, Tatjana, die ebenfalls die Ausbildung zum Eating Psychology Coach gemacht hat und die ich bisher nur über Facebook und E-Mail kannte. Laut Google war die Neighbourhood nur 10 Minuten vom Veranstaltungsort des Events entfernt, perfekt. Und da wir uns das Zimmer teilten, waren es umgerechnet nur etwa 20 Euro pro Nacht pro Person, eine wirklich günstige Art zu reisen. Der einzige Haken: Ich hatte keine richtige Küche. Es gab zwar Spüle, Kühlschrank und Mikrowelle, aber wer aufgrund einer chronisch entzündlichen Erkrankung und Nahrungssensitivitäten und -Intoleranzen stark auf seine Ernährung achtet weiß, wie schwierig das Reisen ist. Gerade in ein Land, wo sie es nicht so streng sehen mit Lebensmittelqualität und Zusatzstoffen. Ich muss sagen, vor einem Jahr hätte ich mich das noch nicht gewagt und würde es auch nicht empfehlen, wenn du nicht schon eine deutliche Stabilität erlangt hast.
Über Internet erfuhr ich, dass man sich Lebensmittel mit auf den Flug nehmen, aber nicht in die USA einführen darf. So buk ich mir ein glutenfreies Kochbananenbrot, das ich noch zudröhnte mit Reisproteinpulver, Kollagen– und Glutaminpulver und viel Butter, um ein super sättigendes und kräftigendes Energiepaket für unterwegs zu haben. Manche Dinge sollte man nicht dem Zufall überlassen, habe ich gelernt, besonders, wenn man mit Blutzuckerschwankungen zu kämpfen hat, auch wenn ich inzwischen viel stabiler bin. Außerdem versuchte ich in den Tagen vor der Abreise besonders darauf zu achten, antihistamin und sehr protein- und gemüsereich zu essen, was gar nicht mal so leicht war, da es bis zu meiner Abreise noch unfassbar viel zu erledigen gab.
Am Abend vor dem Start kriege ich einen regelrechten Überforderungszusammenbruch. Ich habe Schiss, bin total aufgeregt wegen dem Event, es ist alles so unwirklich und zuviel für mich zu verarbeiten und ich bin von den letzten Wochen total gestresst und dann auch ganz kurz vor meinen Tagen. Mein Hirn macht dicht. Ich will mich einfach nur noch vergraben und mir die Augen zuhalten. Mein Mann Patrick sieht, dass ich grad nicht sprechen kann und ist einfach nur da für mich und macht mit mir einen erholsamen Spaziergang im Wald.
Flugverspätung. Ich krieg die leichte Panik, da ich nichtmal anderthalb Stunden in Reykjavik, Island, zum Umsteigen in den Flieger nach Denver habe. Doch dann die Hoffnung, die sich bewahrheitet: Ich bekomme auf Kosten der Fluggesellschaft einen ganzen Tag in Reykjavik spendiert! Ein besonderes Glück, denn da wollte ich schon immer mal hin (allerdings vor allem in die Wildnis Islands) und Island ist ausgesprochen teuer. Ich bekomme die Taxifahrt von und zum Flughafen spendiert (dauert fast eine Stunde in die Stadt und hätte mich insgesamt fast 300 Euro gekostet!), eine Nacht in einem 4-Sterne Hotel („Natura“) am ruhigen Rand der Stadt, Abendessen, Frühstücksbuffet und Mittagessen und ein Busticket in die Stadt. Eine andere Reisegruppe, die ihren Angelurlaub in Island verbringt, hatte nicht so viel Glück; sie dürfen nun statt innerhalb einer halben Stunde mit einer Propellermaschine in einer achtstündigen Busfahrt zu ihrem Zielort gelangen.
Mein Workshop in Denver geht zum Glück erst am 1. los, ich hatte ohnehin schon einen Tag zur Sicherheit eingeplant, auch wegen Jetlag und Erstorientierung. So kann ich den Tag auch genauso gut in Island genießen. Alleine die lange Fahrt zur Stadt ist schon wunderschön, mir gefällt diese raue, rohe, felsige Landschaft, entlang der Küste. Hallo liebes Meer, ich habe dich vermisst. Ich fühle mich, als wäre ich auf einem fremden Planeten gelandet und friere ein wenig in meiner kurzen Hose. Von 30°C in Frankfurt in sommerlichen 9°C auf Island gelandet (eigentlich wollte ich ja nur schnell umsteigen…).
Bereits am Flughafen, dann im Taxi und im Hotel lerne ich einige andere, ebenfalls von der Flugverspätung betroffene Amerikareisende kennen und es ergeben sich schöne Gespräche. Im Hotel sitze ich beim Abendessen dann mit einem frisch pensionierten Ehepaar aus Colorado am Tisch, der Mann erzählt von seinen unglaublichen Reisen in alle Herren Länder mit dem Militär, über 20 Länder pro Jahr…
Zum Abendessen gibt es eine Suppe und Fisch mit Gemüse. Ich esse auch ein bisschen von dem Brot, denn dazu gibt es einen ganz tollen Butteraufstrich. Das Urlaubsfeeling beginnt so richtig… Ohje, die Croutons schmecken stark nach Käse, das ist nicht so gut. Ich reagiere verzögert aber stark mit dem Immunsystem auf Milchprodukte, das kann mich komplett umhauen, mit Fieber, Gliederschmerzen und starker Verschleimung. Schon zu Beginn so nachlässig gewesen. Die Zeiten, in denen ich nach nicht 100% frischem Fisch gleich aufs Klo rennen muss, sind vorbei, wie ich kurz davor auf einem Hochzeitsfotoauftrag festgestellt habe, das hatte ich mindestens 10 Jahre lang (vor allem das Froximun scheint meiner Leber gut beim Entgiften zu helfen), aber bei diesem hier warnt mich meine Nase so stark und mein Instinkt sagt eindeutig NEIN, sodass ich ihn nach ein paar Bissen lieber liegen lasse. Auf jeden Fall haben sie hier gutes Wasser, das man ohne Bedenken aus den Leitungen trinken kann. Ganz reines, klares Quellwasser, gefiltert durch Vulkangestein, so ein reines Wasser habe ich wahrscheinlich mein Leben lang noch nicht getrunken!
Die Isländer sind sehr umweltbewusst. Überall gibt es dezente und freundliche Hinweisschilder, dass man Strom oder Nahrungsmittel sparen soll, was ich echt gut finde. Ebenfalls cool: Strom geht im Zimmer nur, wenn man die Magnetkarte in einen Slot neben der Tür schiebt. Das heißt, nachts auch weniger Störung durch elektrische Felder, wenn man es vermeiden möchte. Die Mitternachtssonne ist so seltsam um diese Jahreszeit, aber zum Glück sind die Vorhänge ganz gut und ich bin so erschöpft und es ist viel Spannung von mir abgefallen, sodass ich gut schlafe.
Das Frühstücksbuffet am nächsten Tag ist sehr üppig. Es gibt verschiedene Tees, Eier in verschiedenen Varianten, Haferschleim, Müsli, Skyr (eine Mischung aus Quark und Joghurt, aber da lasse ich die Finger von, auch wenn es mich echt gereizt hätte), neben Milch auch Soja- und Mandelmilch (für mich letztere), Obst und Gemüse, verschiedene Wurst (ich nehme eine Geflügelwurst), eine unglaublich leckere, vollmundige Butter, sogar glutenfreies Gebäck und Baguette, verschiedenen eingelegten Fisch (den ich natürlich nicht anrühre), sogar eine Flasche mit isländischem Fischöl mit Gläschen steht für die Gäste bereit (da greife ich gerne zu, wobei der Körper die Omega 3-Fettsäuren vor allem im Winter dringend braucht).
Ich werde gut satt und mache mich mit dem Bus auf den Weg in die Stadt. Reykjavik ist recht weitläufig verteilt und wirklich nicht als Großstadt zu bezeichnen, aber eine wirklich hübsche Stadt mit alten und modernen Gebäuden. Ich mache einen ausgedehnten Spaziergang entlang der Küste und dann noch einmal quer durch die Stadt. Zurück zum Hotel kann ich ohne Probleme zu Fuß laufen und da ich noch etwas Zeit habe, bis ich auschecken muss, gehe ich noch einmal zu einer nahen Bucht mit Sandstrand. Dort gehe ich mit den kompletten Beinen ins Wasser und begrüße und erde mich in meinem geliebten Meer. Es ist sehr kalt, aber das scheint die Isländer nicht zu stören, sie baden trotzdem, für sie ist jetzt Hochsommer. Hätte ich ein wenig mehr Zeit gehabt, wäre ich auch nochmal ganz kurz reingegangen, doch ich muss zurück zum Hotel. Zimmer räumen, dann nochmal Mittagessen, das ich nun extra milch- und glutenfrei bestelle (mit Sahne und Butter als Ausnahme). Wieder gibt es Fisch.
Dann noch einmal die Fahrt zum Flughafen genießen und dann geht am späten Nachmittag der 8-stündige Flug nach Denver los. Ich bin jetzt richtig dankbar, dass ich das alles nicht wie ursprünglich vorgesehen an einem Tag erledigen musste, das hätte unfassbar geschlaucht. Am Flughafen hatte ich noch einen großen Gemüsesaft getrunken, der mich irgendwie erstaunlich satt hält. Zudem esse ich den Rest meines Proteinbrots, denn man darf keine frischen Lebensmittel in die USA einführen. Nur zwei vegane Proteinriegel nehme ich mit.
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