Mein Fazit meiner Azorenreise:
Graciosa ist von den mittleren Inseln noch am ehesten für Menschen mit chronisch entzündlichen Erkrankungen geeignet, die anderen sind sehr feucht und die Häuser meist schimmelbelastet. Grundsätzlich aber halte ich die Azoren für empfehlenswert, sie haben ein sehr gutes Klima, das mir sehr gut getan hat, sind nicht zu heiß, nicht zu kalt, bieten gesunde Meeresluft und befinden sich auf einem Breitengrad, auf dem man sehr gut das für das Immunsystem unverzichtbare Vitamin D in ausreichender Menge produzieren kann.
Man bekommt hier viel frisches Gemüse für sehr günstig. Auch habe ich eine Vielzahl an glutenfreien Mehlen hier bekommen. Man bekommt viel sehr frisches, grasgefüttertes Rindfleisch und Milchprodukte, auch Ziegenkäse. Durch die vorwiegende Nutzung des Landes für Rinderhaltung gibt es nur extrem wenige Felder und wenig blühendes Gras, weswegen die Pollenbelastung gering ist. Auch die Luft ist extrem rein durch den Ozean. Als ich in Deutschland aus dem Flughafen kam, hat mich die dicke, volle, richtig „bappige“ Luft erstmal erschlagen und ich spürte sofort eine Aktivierung meines Immunsystems, meine Haut zeigt schnell einzelne Bläschen und rote Flecken (auch um meine Lippen) und fühlt sich insgesamt entzündet an.
Ich kann in Deutschland direkt wieder deutlich weniger an Nahrungsmitteln vertragen, muss viel mehr aufpassen, mich einschränken und mit Supplementen entgegenarbeiten. Auch Steffis Akne verschlechterte sich in Deutschland wieder. Ich finde diese Tatsache sehr deprimierend, denn es ist so eindeutig, dass es ein Problem ist, das in unserer Umwelt zu finden ist. Ich behaupte, jeder reagiert irgendwie auf diese immunsystemanheizenden Faktoren (Schadstoffe, unnatürlich hohe Pollenbelastung…) nur manifestiert es sich bei den einzelnen auf verschiedene Weise (der eine nimmt leicht zu, ein anderer neigt zu Gelenkschmerzen, Migräne…). Manche können dann vielleicht noch etwas besser entgiften als andere und besitzen dadurch eine höhere Toleranzschwelle (ein Entzündungsfass mit größerem Volumen, das also nicht so schnell überläuft). Es beweist auf jeden Fall, dass Nahrungsmittel an sich nicht die Hauptschuldigen sind (Junkfood schließe ich hier aus, denn ich zähle es nicht zu den Nahrungsmitteln).
Doch die Tatsache, dass es auf Graciosa viele teilweise stark übergewichtige und diabeteskranke Menschen gibt (überdurchschnittlich viele laut Peter, dem Arzt), zeigt auch, dass es nicht genügt, im Paradies zu leben, mit reiner Luft, fruchtbarem Boden und einer Vielzahl an herrlichem Obst, Gemüse und Weidefleisch. Auch hier gibt es Probleme wie Schimmelbelastung, viele westliche Produkte aus Weizen und viel viel Zucker und Zusatzstoffen sowie Alkoholismus. Auch wäre es möglich, dass diese Leute schlichtweg nicht auf die Verdauung von Milchprodukten ausgelegt sind, sie hier aber in hohem Maß konsumieren (was dann auch zu starken Blutzuckerhochs und somit zu Insulinresistenz führt), weil die Milchindustrie so krass vom Staat gefördert wird (so stark, dass auf einer Nachbarinsel die Milch teilweise in großen Mengen weggekippt wird, laut Pedro, dem Nationalparkdirektor. Einfach ne kaputte Welt). Auch hier ist genauso wie überall sonst eine gesunde Lebensweise eine aktive Entscheidung.
Was soll ich rückblickend ansonsten über meine Reise sagen? Ich bin unglaublich glücklich und dankbar, es gemacht zu haben und diese Möglichkeit gehabt zu haben. Ich habe etwas für mich sehr wichtiges gelernt: Zu vertrauen. Auf andere, dass sie für mich sorgen und ich nie zu kurz komme. Auf mich selbst, dass ich mehr schaffen und aushalten kann, als ich zunächst denke und noch so viel Wachstumspotential besitze. Und auf Gott oder das Universum oder wie immer du persönlich es nennst, dass mir nie mehr zugemutet wird, als ich meistern kann. Dass immer für mich gesorgt ist, dass ich immer wieder von großen und kleinen Wundern überrascht werde und dass ich Liebe, Fürsorge und Freundschaft an Orten und in Momenten erlebe, wo ich es nie erahnt hätte. Ich war immer ein extrem unsicherer Mensch, der Garantien und genaue Planung für alles brauchte, doch jetzt durfte ich erleben, was geschieht, wenn die Dinge anders laufen, dass die Welt sich dennoch weiter dreht und es am Ende sogar noch viel spannender und großartiger kommt, als ich es mir je hätte ausmalen können. Ich möchte jetzt gezielt daran arbeiten, einfach nur im Moment zu leben, zu sehen und zu beobachten, was mir eine Situation geben kann und wie ich durch sie zu einem besseren Menschen werden kann und einfach zu wissen, dass es gerade so gut für mich ist, wie es kommt. Auch möchte ich mehr einen Blick dafür entwickeln, wo vielleicht gerade jemand MEINE Hilfe benötigt.
Ich möchte besonders junge Leute dazu ermutigen, sich einmal auf eine längere Reise zu begeben, so lange man noch die Möglichkeit dazu besitzt. Diese Reise hat mir gezeigt, in was für einer reichhaltigen Welt wir leben, die dazu in der Lage ist, uns alle zu versorgen. Wir müssen nur lernen uns zu öffnen, zu vertrauen und zu empfangen.
Auch habe ich manchmal lamentiert, warum ich so eine großartige Reise nicht zusammen mit meinem Mann oder meiner besten Freundin, einfach einem Seelenverwandten habe teilen dürfen, warum musste mir ein Mensch als Partner an die Seite gestellt werden, der mich immer wieder aus meiner Komfortzone herausgebracht hat, der so krass verschieden von mir ist? Es gibt diesen Spruch:
Wenn der Schüler bereit ist, wird der Lehrer erscheinen.
Ich habe mir dabei immer so einen alten, weisen Jedimeister mit weißem Bart und so weiter vorgestellt. Doch unser Lehrer kann gerade die Person sein, die uns merken lässt, wo unsere Grenzen sind, woran wir noch zu arbeiten haben, was für uns unangenehm ist und wo es zu Disharmonien kommt. Ich habe mich wochenlang hart gesträubt und verschlossen, doch erst, als ich das wirklich verstanden habe und mich der Lektion geöffnet habe, habe ich mich in mir selbst gelöst, was die ganze Beziehung gleichermaßen entspannt hat. Wie in einer Ehe hatte ich nicht so einfach die Möglichkeit, die Koffer zu packen und abzuhauen (ich meine klar, unmöglich wäre es nicht gewesen, eine Wahl hat man immer). Aber ich musste begreifen, dass ich diese Sache hier wirklich durchziehen will und dafür bereit werden, an mir zu arbeiten und mich diesem Menschen zu öffnen, was dazu geführt hat, dass ich vollkommen neue Seiten an mir entdeckt habe. Es war zum Teil sehr bereichernd, zum Teil hat es mir aber auch gezeigt, wo ich noch Baustellen habe, wo bei mir selbst noch viel Wachstum vonnöten ist.
Klar geht es bei dieser Reise eigentlich darum, dass ich meinen Masterabschluss mache. Doch ich denke, die Dinge die wir tun und erleben haben immer mehrere Wahrheiten, und wir können durch sie soviel beschenkt werden, wie wir nur zulassen. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich um einiges mutiger und freier im Geist geworden bin, dass meine Welt nun viel offener und grenzenloser geworden ist, da ich viele Grenzen in meinem eigenen Geist niedergerissen habe und sehe gespannt der nächsten Herausforderung entgegen.
So einfach wie ich es hier jetzt schreibe, ist es für mich natürlich auch nicht. Ich hatte schon zu kämpfen in den ersten Wochen daheim, fiel fast wie in eine Depression. Ich klammerte mich an das, was ich da unten gehabt habe und trauerte der Zeit hinterher, war kaum in der Lage, Freude hier daheim zu finden und mich wieder einzuleben, versuchte diese Leere in Serien und Facebook zu ertränken (ganz gefährlich, so schnell ist eine Sucht entstanden…). Ich merke, dass ich dort unten in diesem sehr einfachen Leben im Allgemeinen zufriedener war und es dazu viel weniger gebraucht hat. Ich habe in keinster Weise meinen Computer, meinen Thermomix und meine schicken Kleider oder sonst irgendwas vermisst. Ich wäre auch komplett ohne Internet ausgekommen (und bin es ja größtenteils). Wenn ich da unten mal Internet hatte, habe ich eher gemerkt, dass es mich stresst und davon abhält, Verbindungen zu den interessanten Menschen um mich her zu knüpfen. Hier in Deutschland kommt von ganz alleine wieder das Bedürfnis nach Konsum, ohne den man es hier nicht auszuhalten scheint, aber der uns und unsere Welt so sehr zerstört.
Es ist schon sehr anders in Deutschland. Jeder lebt in so einem großen verschlossenen Haus, wie in einem Bunker, ganz anders als da unten, wo kaum einer seine Tür abschließt und die Häuser so offen gebaut sind und irgendwie die ganze Inselbevölkerung wie eine große Familie ist, die aufeinander achtet. Es ist kein Wunder, dass in Deutschland so viele so sehr mit Einsamkeit und dem Gefühl der Verlorenheit und Überfordertheit zu kämpfen haben.
Doch ich verstehe auch, dass ich wirklich mir darüber im Klaren werden muss, wer ich bin und was ich wirklich vom Leben will, und dass ich vielleicht ein paar Entscheidungen zu treffen und Änderungen in meinem Leben vorzunehmen habe, um mehr zu der Person zu werden, die ich werden möchte.
Ich bin auf jeden Fall erfüllt von tiefer Dankbarkeit, dass ich diese Möglichkeit gehabt habe, am meiner Thesis an einem so heilsamen Ort zu arbeiten, ich weiß nicht, ob ich zu einer mehrmonatigen Laborarbeit die Kraft und Gesundheit gehabt hätte. Ich möchte auch dich dazu ermutigen, immer noch Optionen zu schauen, bevor zu vorschnell sagst, etwas sei unmöglich und Dinge hinnimmst, die dir schaden und für die es vielleicht eine Alternative gibt.
Meine Azorenreise 2 Jahre später, die schließlich zum Kauf eines eigenen Hauses geführt hat…
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich lehrt, was dir hilft, und dich leitet auf dem Wege, den du gehst. ~Jesaja 48 Vers 17
Danke, dass du mich virtuell auf meiner Reise begleitet hast! =) Schaue dir hier außerdem mein Video, das ich über meine Azorenerfahrungen und -erlebnisse gedreht habe, an.
Hallo Doro,
die Azoren waren auch schon immer eines meiner Reiseziele. Bisher war ich dreimal auf Madeira, Azoren habe ich mich irgendwie noch nicht getraut. Dein Bericht aber bringt mich dem ganzen wieder näher….
Ich weiß noch nicht, WANN ein Urlaub solcher Art mal wieder ansteht, aber im Kopf hatte ich als Ziel immer Madeira. Die letzte Reise dorthin ist allerdings schon 20 Jahre her und ich weiß nicht, ob es schlau ist, mit den Erwartungen an all die vorhandenen guten Erinnerungen nach dieser Zeit nochmal hinzufahren. Vielleicht ist es auch besser, einfach die Erinnerung zu behalten und woanders hinzufahren. Es hat sich halt viel verändert. Durch Dich sind jetzt die Azoren wieder mit im Spiel 😉
Kenn ich, ich habe auch so einen Ort, an den wir immer in meiner Jugend und Kindheit gereist sind, und der für mich sehr wichtig war. Einerseits frage ich mich, ob ich dort nochmal ohne meine Eltern hinsollte, weil er mir immer so gut getan hat, aber andererseits denke ich auch, dass man damit vielleicht versuchen würde, etwas zu erzwingen, und es wäre vielleicht alles fad und enttäuschend, weil sich alles verändert haben kann und man einfach nicht mehr die Person von damals ist. Aber dafür kann ICH mir ja mal Madeira angucken, wenn du es empfehlen kannst. 😉 Ist das Klime einigermaßen trocken? Und Teneriffa wurde mir empfohlen. Aber auf die Azoren werde ich definitiv zurückkehren, da ist ein Teil meines Herzens geblieben und so viel blieb noch unentdeckt.
Naja, trocken…. ich weiß nicht. Es kommt vielleicht ein bisschen darauf an, wo man ist. Im Norden sind die Berge, da ist man zum Teil ganz schön hoch, schon fast in den Wolken.
Da würde wohl eher der Süden passen. Dort ist es morgens meist noch etwas bedeckt, manchmal regnet es auch kurz und zum Mittag kommt dann die Sonne raus. Nachmittags ist es dann schön sommerlich.
btw: hast Du eigentlich meine Mail erhalten?
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