8. bis 23.10.2015
Meine erste USA-Reise! So weit war ich noch nie von Zuhause weg, vor allem ganz allein. Aber ich bin ja nicht alleine, denn ich besuche meine Freundin Jenn aus Delaware, die ich Ende Dezember 2014 in Deutschland kennen lernte, als ich mich gesundheitlich am Tiefpunkt befand. USA mag nicht nach viel klingen, aber für jemanden, der sein Leben lang sehr eingeschränkt war, weil er Angst vor seinem eigenen Schatten hatte, wahrscheinlich wegen einem unterschwellig chronisch entzündeten Gehirn, ist es ein großer Schritt und vor allem ein sehr befreiender.
Pünktlich an Terminal 2 in Frankfurt angekommen, kaum Wartezeiten, alles zum Glück sehr stressfrei. Ich habe auf den Ganzkörperscanner verzichtet (das Recht dazu besitzt man) und mich lieber abtasten lassen, denn warum sich unnötiger Strahlenbelastung aussetzen, vor allem mit meiner genetischen Prädisposition für Krebs. Den Flug habe ich nahrungsmitteltechnisch relativ gut überstanden. Ich hatte die Wahl beim Mittagessen zwischen Pasta oder Hühnchen mit Kartoffelbrei und Brokkoli, natürlich nahm ich letzteres, auch wenn das arme Huhn sicherlich nicht aus Biohaltung stammte. Ich versuchte, viel zu trinken und ab und zu mal aufzustehen, doch leider hatte ich trotzdem am nächsten Tag mit Verstopfung und den daraus resultierenden starken Entzündungen in der Mundschleimhaut und trockener Haut zu kämpfen. Die Luft in einem Flugzeug ist trockener als in der Sahara und entzieht einem durch die Haut und die Atmung unglaublich viel Wasser. Gegen Ende des über 8 stündigen Fluges bekam ich dann doch ziemlichen Hunger und hoffte auf weiteres Essbares, doch die Hoffnung war leider vergebens: Bretzeln, Eis und dann, es roch fantastisch: Pizzabrötchen mit Mozzarella und Champignons. Nach einem Blick auf die ewig lange und nicht sehr berauschende Zutatenliste, allen voran Weizen, stand natürlich sofort fest, dass ich das auf keinen Fall essen könnte, und irgendwie war ich durch den ewig langen Flug, das sehnsüchtige Warten auf meine liebe und sehr vermisste Freundin und den niedrigen Blutzucker so neben der Spur, dass ich einfach in Tränen ausbrach, weil ich das Pizzabrot nicht essen konnte! Ich liebe Mozzarella und Pilze… und dann machte ich auch noch den Fehler daran zu riechen… es war furchtbar, jeder um mich herum genoss seine leckere Mahlzeit und ich weinte still und leise ins Fenster und bemitleidete mich selbst. Es tat wirklich weh, als der Flugbegleiter dann vorbeikam und das unangerührte, köstlich riechende Essen wieder mitnahm und in den Abfallwagen warf. Ich war einfach furchtbar down in dem Moment und es war mir extrem peinlich, aber in manchen Momenten ist es einfach zuviel, mit diesen starken Einschränkungen zu leben. Ich bin sehr emotional wenn es um mein Essen geht, außerdem kann einem eine Nahrungsmittelintoleranz oftmals ein starkes Gefühl der Isolation vermitteln. Aber der Gedanke, dass Jenn mich bald am Flughafen begrüßen und darüber lachen würde, wenn ich ihr das erzählte und mir bei sich was zu Essen zubereiten würde, brachte mich wieder zum Grinsen. Sie hat selbst mit gewissen Einschränkungen zu leben, Weizen und Milchprodukte sind ihr Hauptproblem, weswegen ich mit ihr sehr offen über meine spezielle Ernährung sprechen kann.
Nun ja, ich bin auf jeden Fall sehr froh, dieses Pizzabrot nicht gegessen zu haben und als ich zu Jenn ins Auto stieg begrüßte mich tütenweise farbenfrohes Gemüse, das sie vorher noch extra frisch für mich besorgt hatte, in Sorge, sie hätte nicht das richtige oder genug für mich (sie weiß auch, dass ich unglaubliche Mengen an Essen verdrücke…). Bei dem Anblick und dem Wissen, dass jemand so an einen denkt, ging mir einfach das Herz auf.
Bei ihr zuhause machte ich mir sofort eine imaginäre Checklist: Okay, die Lady, bei der sie wohnt ist nicht gerade die ordentlichste, ist Reiterin und besitzt zwei Katzen, das ganze Haus ist ausgelegt mit Teppichen und die Amis lüften ihre Häuser kaum, also muss ich mit einer gewissen Histaminbelastung von außen durch Allergene (Hausstaub, Tierhaare, Schimmel) rechnen. Dann das Wasser. Stark gechlort und mit Flourid versetzt, ein eher mäßiger Wasserfilter. Wenn ich mir dort Wasser zapfe, lasse ich es bevor ich es trinke für mindestens eine Stunde stehen, in der Hoffnung, dass die Halogene zum Teil verdampfen. Aber ich beschloss, mir auch Wasser im Supermarkt zu kaufen. Das Wichtigste außerdem: Bestandsaufnahme in der Küche. Was waren meine Ressourcen hier, mit denen ich in den nächsten zwei Wochen würde arbeiten müssen, denn auch hier stand natürlich außer Frage, dass ich alles würde selbst machen müssen, was ohne meinen Thermomix und mit den fremden Geräten und Utensilien eine Herausforderung werden würde. Aber mittlerweile sehe ich Herausforderungen nicht mehr als etwas Bedrohliches an sondern als etwas, das mein Gehirn trainiert und die Kreativität fördert.
Das Wichtigste war zuerst: Lebensmittel einkaufen. Zunächst waren wir in einem sehr gut bestückten Bioladen, der aber unglaublich teuer war. Aber hier habe ich mich erst einmal mit frischer Kurkumawurzel und einem guten Verdauungsenzympräparat eingedeckt. In einem anderen Laden hatte ich meine Freude: Junge Trinkkokosnüsse, Kochbananen und Biofleisch von grasgefütterten Rindern, sowie Biohühnchen. Bei der Kerrygoldbutter muss man aufpassen: In den USA sind die Farben für gesalzene und ungesalzene Butter vertauscht. Ich nehme lieber ungesalzene um Natriumchlorid zu vermeiden und habe mir dort erst einmal eine Packung unraffiniertes Meersalz besorgt. Außerdem ganz wichtig: Kokosöl. Bei der Kokosmilch war ich frustriert: Sieben oder acht verschiedene Marken, aber nicht eine ohne Zusatzstoffe! Ich habe als Kompromiss mal eine mit Guar-gum (Guaran, Guarkernmehl) genommen, aber glaube ich nicht so vertragen, ist ja schließlich eine Hülsenfrucht, und es deswegen bei einer Dose belassen.
Mit und für Jenn zu kochen und zu backen ist eine wahre Freude. Sie ist begeistert von allem, was ich mache und lobt meine Kochkunst, außerdem zeigte sich tatsächlich nach einer Woche schon eine Besserung ihrer starken Akne, auch von ihrer Verdauung her schien es ihr bald deutlich besser zu gehen, denn durch viel Stress, wenig Geld und mangelnde Motivation hatte sie ihre Ernährung wieder stark vernachlässigt. Wir machten Waffeln aus Kochbananen und Fruchteis, Gemüsecremesuppen, Kochbananensalzkräcker und Muffins aus Süßkartoffeln.
Wir besuchten die ‚Renaissance Fair‘ in Pennsylvania, eine Mischung aus Jahrmarkt, Mittelaltermarkt und Comic-Con, wo wir uns ein geräucheres Turkeyleg gönnten, was ich erstaunlich gut vertrug. Allerdings hatte ich mir an dem Morgen zum Frühstück eine viel zu große Portion Rührei gegönnt, was mich den ganzen Tag über irgendwie benebelt und schwerfällig machte, weswegen ich mich seit dem wieder streng an die Regel hielt, kein Ei zum Frühstück und wenn dann nicht mehr als zwei auf einmal, denn es ist einfach solch eine Einbuße an Qualität für so einen Tag, dass es das nicht wert ist (gilt nur für mich persönlich, was du verträgst, musst du für dich persönlich herausfinden, aber Ei-Eiweiß ist einfach recht schwer verdaulich). Lieber morgens etwas mehr Mühe und nur Fleisch und Gemüse (ich persönlich brauche morgens viel Fett und Protein und nur wenige Kohlenhydrate, für ein stabiles Energielevel und einen stabilen Blutzucker und dafür abends mehr Kohlenhydrate und sehr wenig Protein, da ich sonst schlecht einschlafe).
Was ein sehr schönes Erlebnis war, war ein Besuch auf einer Amishfarm, wo wir drei Dutzend Eier von freilaufenden Hühnern und eine Quart (etwa vier Liter) Rohmilch kauften. Die Rohmilch vertrug ich allem Anschein nach sehr gut, nur den Joghurt, den wir daraus machten (erhitzt und kultiviert mit einem Joghurt aus dem Supermarkt), vertrug ich leider nicht und reagierte mit der Haut. Möglicherweise lag es an den Bakterienstämmen.
A journey of a thousand miles must begin with a single step. ~Lao-tzu, The Way of Lao-tzu